Die Epoche der Rückkehr der
Zivilgesellschaft
Was
wurde uns vorenthalten?
Zivilgesellschaft,
zivile Organisationen, zivile Krankenorganisationen
Zivile Organisationen für Parkinson-Erkrankte
Ein
nachzueiferndes Beispiel
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Als bei mir – in 2001 - die Parkinson-Krankheit diagnostiziert wurde, musste
ich mit Erschütterung zur Kenntnis nehmen, dass die an Parkinson Erkrankten
in Ungarn keinen landesweiten Verband haben. Ich hatte erwartet, dass dieser
in der Not eine große Hilfe sein wird, dass es einen Ort gibt, an dem ich
mich mit anderen Erkrankten treffen
kann, wo ich zur Heilgymnastik gehen kann und viel über die Krankheit, meine
Aussichten für die Zukunft erfahren kann und sonstige, nützliche Kenntnisse
erhalten kann. Also, der Computer und
das Internet waren zur Hand, wo man alle möglichen Dinge finden kann. Mit dem
Schlüsselwort "Parkinson" begann ich die Suche. Wie aus der
Vorgeschichte zu erwarten war, fand ich kaum eine Pakinson-Webseite in
ungarischer Sprache. Ich erfuhr jedoch, warum es keinen ungarischen
Parkinson-Verband gab. Ich fand bald meine beiden Leidensgefährten, die
begonnen hatten, einen Verband zu organisieren, allerdings ihrer Erzählung
zufolge ihre anfängliche Begeisterung und Lust durch den massiven Widerstand genommen wurde, der gerade von
denjenigen kam, mit deren Initiative und Unterstützung sie gerechnet hatten.
Sie fanden keinen einzigen Neurologen, der sich dem Unternehmen angeschlossen
hätte.
Ich dachte, dann trete ich eben dem kleinen
Unternehmen bei, aber die beiden Organisatoren sagten rund heraus, dass sie
von dieser Tortur genug hätten und mit ihnen in dieser Angelegenheit niemand
mehr rechnen solle. Kein Problem – dachte ich – die Aufgabe bewältige ich
auch allein und früher oder später finde ich jemanden, mit dem wir gemeinsam
eine Vereinigung, eine Stiftung, einen Verband oder etwas Ähnliches ins Leben
rufen können. Meine Erwartungen wurde nicht enttäuscht, weil ich Herr Dr.
Gyula Molnár traf (allerdings erst nach drei Jahren), der aus genau demselben Grund im Internet
surfte. Wir kamen zusammen und konnten mit Freude feststellen, dass sich
unsere Vorstellungen genau deckten. Es stellte sich allerdings bald heraus,
dass die Gründung einer Vereinigung oder eines Verbandes in großem Maße die
Mitarbeit von Anwälten und nicht wenig Geld erfordert. Das konnten ich als
Rentner und Herr Doktor Molnár als beginnender Arzt nicht übernehmen. Zum
Mangel an fachlichen Befürwortern kam also ein neuer Mangel hinzu; es fehlte
jemand, der sich der Sache verpflichtet fühlt und über genug Geld für den
Zweck verfügt. Es wurde bald offensichtlich, dass es so einen Menschen nicht
gibt, oder sollte es ihn geben, wir nicht in der Lage sind, ihn zu finden.
Irgendwann stellte sich bei mir ein Gefühl ein, als
wäre all das schon einmal geschehen. Natürlich! Die Lage ähnelte derjenigen,
als man in Ungarn noch viele Waren nicht bekommen konnte. Damals fuhr man auf
die Wiener Straße (kurz hinter Klingenbach) und fand dort alles, was man
zuhause vergeblich gesucht hatte. Daraus entstand die Idee, Dr Birkmayer in
Wien aufzusuchen, in dessen Institut Herr Dr. Molnár seine Praktikantenjahre
verbracht hatte. Letzterer hatte allerdings kein großes Vertrauen in die
Sache, vereinbarte jedoch auf meinen Wunsch hin ein Treffen mit dem
Professor. Die Besprechung war kurz und operativ: Kaum zwei Stunden später
konnten wir mit einer Zusage des einen Arbeitskollegen von Professer
Birkmayer über die Gründung einer ungarischen Parkinson-Stiftung nachhause
fahren.
Der Plan hat sich heute verwirklicht. Das
Komitatsgericht Gyõr-Moson-Sopron trug mit seinem Beschluss vom 31. Mai 2007
die allgemeinnützige Organisation mit der Bezeichnung „Professor Birkmayer
Stiftung für Ungarische Parkinson-Kranke” ein. Um der Hilfe von Professor Birkmayer etwas zu erwidern,
benannten wir die Stiftung nach seinem Vater, dem weltberühmten
Neurologen. (Die Namensgleichheit
ist kaum störend, da der Sohn seinem Vater würdig ist. Die Stabilisierung des
Q1-Enzyms ist mit seinem Namen verbunden, sowie die fachliche Leitung der als
Mekka der Parkinson-Erkrankten geltenden zwei Kliniken ist würdig, seinen
Namen zu verewigen.)
Hier stehen wir also jetzt, im Geist gestärkt, in
der Anzahl noch wenige, aber mit fachlichem, organisatorischem und
methodischem Wissen für den Anfang in ausreichendem Maße ausgerüstet, wir
beginnen unsere übernommene Aufgabe umzusetzen, worüber sie in den nächsten
Abschnitten der Webseite mehr erfahren werden.
Vorher ist aber hier noch etwas: Namentlich eine
Frage, die fast zwei Jahre auf eine Antwort wartet. Damals (vor zwei Jahren)
war die Antwort eines Neurologen großen Ansehens ein lautes und
entschlossenes NEIN, während sich eine Zuhörerschaft von etwa 150 Personen
(deren Mehrheit Parkinson-Erkrankte waren) leise duckte. Es gab nur einen,
der den Handschuh aufnahm, aber auch ihm nahmen sie bald das Mikrofon
weg.
Die Frage lautete folgendermaßen: Wird in Ungarn
eine Vereinigung Parkinson-Erkrankter benötigt? Von der Antwort eines Segments
der Gesellschaft (der Parkinson-Erkrankten) auf diese Frage hängt nämlich die
Lebensberechtigung unserer Stiftung ab. Wir bitten Sie, jetzt für sich eine
Antwort zu finden, und bei einem „nein”
dann antworten Sie erneut darauf, nachdem Sie unsere Webseite gelesen
haben.
Werden wir überhaupt gebraucht?
"Wir benötigen überhaupt keine Vereinigung Parkinson-Erkrankter!”, fuhr
der Chefarzt der Neurologischen Abteilung des XY Krankenhauses Dr. X auf
einer Veranstaltung auf die Mitteilung hin auf, dass schon eine zivile
Vereinigung Parkinson-Erkrankter organisiert wird. Dieser spontane Ausbruch
des Chefarztes war auch deshalb interessant,
weil es einer unserer Leidensgenossen war, der aufwarf, wie gut es
wäre, wenn es einen Klub oder eine Vereinigung gäbe, wo sich die Kranken
treffen könnten, ungezwungen miteinander und möglicherweise auch mit ihren
Ärzten sprechen könnten.
Wenn wir die Äußerungen der zwei Hauptpersonen in
der Sache verallgemeinern würden, kämen wir zu dem Schluss, dass die Kranken die
Gründung der Vereinigung Parkinson-Erkrankter beanspruchen würden, die Ärzte
diese jedoch für überflüssig hielten. Leider ist diese Verallgemeinerung
überhaupt nicht unbegründet, auch eher deshalb nicht, weil interessanterweise
an fast allen anderen Krankheiten leidende Kranke schon ihre zivilen
Organisationen gegründet haben, sogar deren landesweites Netz, und bei uns,
den Parkinson-Erkrankten, ist in den letzten 15 Jahren kaum etwas geschehen.
Einige schwache Versuche, 4 Krankenorganisationen mit insgesamt weniger als
200 Mitgliedern, was wir, die ungefähr zwanzigtausend (dreißigtausend?)
Parkinson-Erkrankten vorweisen können. Unsere Annahme ist also kaum
unbegründet. Dessen ungeachtet
dachten wir, dass hier noch etwas sein müsste, weshalb unsere Leidensgefährten so passiv sind. Bei gründlichem Nachdenken
ergab sich die folgende Frage. Was kann der Grund dafür sein, dass wir, die
Parkinson-Kranken – wie es scheint – anders sind, als die anderen Kranken?
Die lange Grübelei – so denken wir – brachte auf die Frage die Antwort, was –
wie wir hoffen – auch Sie interessiert. Wenn ich mich irren sollte, dann
können Sie auch hier schon mit dem Lesen aufhören, da in dem folgenden Teil
nach diesem Abschnitt davon die Rede sein wird.
Unter uns offen und ehrlich
Jetzt, da wir (diejenigen, die nach Antwort auf die Frage suchen) unter uns
geblieben sind, schlage ich vor, ein wenig in uns zu schauen. Wenn wir das
getan haben, so konnte scheinbar
jeder mit uns gemeinsam feststellen, dass wir wirklich anders sind als die
Anderen. Aber warum? Sehen wir uns in
unserer Umgebung um! Beobachten wir, wer die unterschiedlichen Abteilungen
der Polikliniken und Krankenhäuser aufsucht? Wir können hier vielleicht zum
ersten Mal feststellen, dass während bei den anderen Kranken im Allgemeinen
jede Altersgruppe vertreten ist, wir unter uns Parkinson-Erkrankten nur
Menschen in ähnlichem Alter wie wir (oder der erwähnte Chefarzt) finden
können, zum überwiegenden Teil die heute 60-70 Jährigen, also die
Altersgruppe, die in den Jahren
1937-1947 geboren wurde. Was haben wir gemeinsam? Dass wir fast die
gesamte aktive, aufnahmefähige Phase unseres Lebens (mit 40 Jahren gerechnet)
in den Jahren 1957 bis 1997
beziehungsweise 1967 bis 2007 verbracht haben. Es ist eine
geschichtliche Tatsache, dass die Zivilgesellschaft in Ungarn beginnend ab
dem Jahre 1938 aufgehört hat zu existieren, und erst nach der Wende und auch
dann erst im Jahre 2003 in bedeutenderem Maße von neuem entstand, als uns
eher das sich nahende Rentnerleben als gesellschaftliche Fragen
beschäftigten. Wir haben nicht einmal gemerkt, dass uns etwas vorenthalten
wurde, an dem die Altersgruppen vor
uns noch und die nach uns kommenden erneut teilhatten.
Was wurde uns vorenthalten?
Und zwar das bürgerliche, also das
zivilgesellschaftliche Leben im herkömmlichen Sinne. Denn in den erwähnten 40-50 Jahren wurde
unser Bewusstsein (die Ausnahmen in Ehren) entweder vom Terror oder dem
Honigfaden geformt und währenddem prägte sich in unserem Gehirn die Attitüde
der Allmächtigkeit und bedingungslosen Hingabe an die Macht heraus. Dass nach der Befreiung in bestimmtem Maße
der Übergang zwischen den oben und unten angesiedelten Gruppen möglich wurde,
bedeutete im Wesentlichen nichts anderes, als dass die Köpfe ausgetauscht wurden,
aber das System bestehen blieb. Das führte dazu, dass Ärzte, Ingenieure,
mittlere Leiter, Künstler usw., die eine von der Gesellschaft besser
bewertete Stufe erreichten als die Durchschnittsmenschen, auf
unterschiedliche Weise (Auslandsreisen, durch Treffen mit Personen höherer
Bildung und moralischer Wertordnung) den Begriff der Zivilgesellschaft kennen lernen konnten, und indem sie
dessen Gefahr für ihre eigene Position erkannten, desertierten sie aus der
gesellschaftlichen Klasse, aus der sie stammten und/oder wie Attila József
schreibt: „Aus der Ferne von 1000 Jahren tritt Volkes Sohn mit einem kleinen
Bündel auf dem Rücken hervor. Er forscht, wo er Unteroffizier sein könnte,
obwohl er auf das Grab, in dem seine Vorfahren ruhen, einschlagen müsste,”
Einige
Jahrzehnte danach, wenn auch nur langsam, eröffneten sich auch den niederen
Volksschichten Möglichkeiten zu Reisen ins Ausland und anderen Dingen, die
früher nur einer auserwählten Schicht zustanden, aber sie (also wir!) wurden
im Ausland mehr von den leuchtenden Auslagen der Konsumgesellschaft geblendet
(Die Epoche des Kühlschrank-Sozialismus und des Einkaufs von
Gorenje-Kühlschränken). Wer jedoch mit offenen Augen durchs Leben ging, der
erkannte die gesellschaftlichen Unterschiede, und wenn er nachhause kam – und
nicht seinen Mund hielt – der konnte bald, um es auf die Pester Weise auszudrücken, in
irgendeiner Einrichtung der Staatsmacht „an die Ziegel klopfen”.
Die Epoche der Rückkehr der
Zivilgesellschaft
Springen wir in der Zeit ein großes
Stück nach vorn und landen im heutigen Ungarn ! Zurzeit beginnt sich langsam
eine Zivilgesellschaft mit europäischen Niveau zu entfalten. Es gibt immer
mehr Menschen, die schon in einem – die Schwierigkeiten des Umschwungs schwer
bewältigendem – aber auf alle Fälle freiem Land geboren wurden und
aufwuchsen, und die mit der Muttermilch
schon langsam grundsätzliche Menschenrechte in sich aufnehmen und
deren Stimme nicht mehr, wenn sie der Meinung sind, sie erheben zu müssen,
durch die Kraft irgendeiner Macht unterdrückt werden kann.
Zum anderen gibt es uns, die abgekämpfte, ermüdete
Schar, von denen viele nicht einmal mit ihren grundsätzlichen menschlichen
Rechten zurecht kommen, sie haben fast keine Vorstellung davon, wie ein auf
menschliche Weise lebbares Leben sein müsste, auf welche Weise sie für sich alle diejenigen Güter erhalten oder
erwerben können, die eine Zivilgesellschaft ohne Ausnahme allen Staatsbürgern
zukommen lässt. Aber woher sollten sie das denn wissen? Obwohl es schon
weniger werden, aber es gibt immer noch genügend, die ausgrenzen wollen und
denken, dass ihnen aus irgendeinem Grund ein größerer und besserer Teil der
gesellschaftlichen Zuwendungen zustehe und die sich auch heutzutage nicht
bemühen, alle darüber aufzuklären, was das bedeutet: Zivilgesellschaft, …und
was diese zivilen Organisationen sind.
Zivilgesellschaft, zivile
Organisationen, zivile Krankenorganisationen
Wir nehmen den Teil der Aufgabe auf uns, der von uns bewältigt werden kann,
und verlieren im folgenden ein paar Worte über diese Fragen, von der größeren
bis zur kleineren vorgehend: Zivilgesellschaft, zivile Organisationen, zivile
Krankenorganisation. Am Schluss
dieses kleinen „zivilen Lehrganges für Staatsbürger” kann dann die Frage
erneut gestellt werden: Brauchen wir sich von unten organisierende zivile
Organisationen für Parkinson-Erkrankte?
Die Zivilgesellschaft
Wie wir erwähnten, hatten in Ungarn in
den vergangenen gut 50 Jahren ab 1938 bis zur Wende die Vertreter der
jeweiligen Macht in aller Hinsicht die Führungsrolle, und erneut mit einem
Zitat von Attila József „Viele Herren
sparten weder Mühe noch Müdigkeit, um ihren Besitz vor uns zu schützen” und
sorgten dafür, dass der Begriff Zivilgesellschaft so schnell wie möglich
verschwindet, um dann über Jahrzehnte auch nicht mehr in das Wörterbuch der
Staatsbürger zurückzukehren. Ab einem Zeitpunkt etwas vor der Wende (ab etwa
1987 , ab der Gründung der SZETA, Fond zur Unterstützung der Armen) ging diese Zeitepoche langsam zu Ende, und
auch die ungarischen Menschen erkannten, was die Bürger vieler Länder der
Welt schon lange wussten, dass in der gesellschaftlichen Einrichtung des
Landes nicht der Staat und seine Organe die herrschende Rolle einnehmen,
sondern gerade umgekehrt, die Staatsbürger, denen durch diese Organe gedient
werden muss.
Kurz könnten wir vielleicht sagen, dass die
Zivilgesellschaft relativ unabhängig vom Staat ist und sich auf Prinzipien
stützt wie Autonomie, Berechtigung
des Nebeneinanderlebens unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher
Ansichten, die gegenseitige Übernahme von Verpflichtungen und Unterstützungen
und die Verantwortung. Die Mitglieder
einer derartigen demokratischen Gesellschaft (der Zivilgesellschaft) dienen
durch demokratische Verfahren auf der Grundlage von Diskussionen und Konsens
(allgemeine Einigung) dem Allgemeininteresse und nehmen zwischen den
staatlichen und/oder Organen der öffentlichen Gewalt und den Staatsbürgern
eine Vermittlerrolle ein.
Zivile Organisationen
Die weiter oben
erwähnte Rolle einnehmenden Nicht-Regierungsorganisationen sind von Privatpersonen oder Kollektiven
frei (freiwillig) geschaffene Gruppen, die keine Gewinnerzielung anstreben und
im Allgemeinen im Interesse der Gesellschaft ihre grundsätzlich nicht
gewinnorientierte (non-profit) Tätigkeit entfalten (Stiftungen, Verbände,
allgemeinnützige Organisationen, Gemeinverbände). Sie haben das Ziel, vor der
Öffentlichkeit für den gesellschaftlichen Wohlstand im Interesse einer
kleineren Gruppe oder der gesamten Gemeinschaft zu arbeiten. Ihre Mitglieder
vertreten keine wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen.
Die Größe der Organisationen und ihre
Tätigkeitsbereiche können sich stark unterscheiden. Ihrer Funktion zufolge
kann es sich um Dienstleistungs- und/oder Interessenschutzorganisationen
handeln, die entweder unterschiedliche Dienstleistungen anbieten (zum Beispiel auf sozialem Gebiet), oder
deren Primärziel es ist, die Tätigkeiten der staatlichen Einrichtungen und
die öffentliche Meinung zu beeinflussen. (Streng genommen muss zum Begriff
der zivilen Organisationen hinzugefügt werden, dass sie in der Gesellschaft
durch Organisation von unten her zustande kommen und Ziele verfolgen, die
ihre Mitglieder betreffen.)
Zivile Krankenorganisationen
"Die Hilfeleistung für andere gehört zu den natürlichen Eigenschaften
des Menschen. Im Laufe der Geschichte gab es immer Menschen, die individuell
oder in Organisationen zusammengeschlossen in Not geratenen Mitmenschen unter
die Arme griffen und sie unterstützten. Die Art und Weise der
Hilfeleistung war von der Kraft, den
Möglichkeiten, der Persönlichkeit und der bei der Fürsorge erworbenen Praxis
und dem Wissen des Individuums (der Individuen) abhängig." (Frau Rácz
Tiborné: Kenntnisse der Fürsorge.)
Die Unterstützung der Bedürftigen auf organisierte
Weise kann mit der Verbreitung des Christentums in Verbindung gebracht
werden. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts erschienen neben der Kirche
Privatpersonen und zivile Organisationen, die weltweit in immer größerem Maße
von der Kirche und dem Staat Aufgaben
der Krankenpflege und Unterstützung der Kranken übernahmen.
Nach 1945 starben in Ungarn (ähnlich wie in den
anderen Ländern des „Ostblocks“) diese Organisationen allmählich aus, da sich
das sozialistische Staatssystem bemühte, alle organisatorischen
Zusammenschlüsse zu unterbinden, deren Leitung und Kontrolle sich seiner
Kompetenz entzog. Nach der Wende, nach Erscheinen des ersten Sozialgesetzes
im Jahre 1993, erschienen der Reihe nach die zivilen Organisationen,
Stiftungen und sonstige privaten oder gemeinschaftlichen Organisationen, die
mit den neuen Versorgungs- und Fürsorgeformen verbunden waren, unter anderem auch auf dem Gebiet des
Gesundheitswesens.
Zivile Organisationen für
Parkinson-Erkrankte
In fast jedem Land Westeuropas hatten sich schon seit Jahrzehnten die auf
bestimmte Krankheiten spezialisierten, von unten herauf organisierten zivilen
Organisationen entwickelt, ebenso die Vereinigungen und Stiftungen zur
Unterstützung der an Parkinson leidenden Kranken. Es entstanden pro Land sogar auch mehr als einhundert
Mitgliedsorganisationen und die gesamte Fläche des Landes abdeckende Netze,
und deren internationale Organisation für Zusammenarbeit, die EPDA. Die
Mitgliedszahl der örtlichen Organisationen für Parkinson-Erkrankte kann in
jedem Mitgliedsland der EPDA mit mehreren Tausend angenommen werden. (Die
amerikanische Parkinson-Stiftung (PDF), die heute schon mit Millionen an
Dollar wirtschaftet, feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen.)
Auch in Ungarn entstanden nacheinander die
landesweiten und örtlichen zivilen Organisationen der an den
unterschiedlichsten Krankheiten leidenden Kranken, die Anzahl kann heute mit
mehreren Hundert angenommen werden.
Die Anzahl der zivilen Krankenorganisationen mit landesweitem Wirkungsbereich
beläuft sich um die 50 und sie wenden sich an die an unterschiedlichen Krankheiten
leidenden Menschen beziehungsweise vertreten deren Interessen. Auf dem Gebiet
der Gehirnkrankheiten arbeiten mehrere landesweite Organisationen Zum
Beispiel auf den Gebieten Sclerosis multiplex, Alzheimer, Autismus und
sonstige.
Ein nachzueiferndes Beispiel:
Zivile Organisationen SM-Kranker
Die zivile Organisation mit
landesweitem Wirkungsbereich der mit der Parkinson-Krankheit in ganz guter
Näherung vergleichbaren Sclerosis multiplex-Kranken versieht zum Beispiel
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit) folgende
Aufgaben.
Sie klärt die ungarische Bevölkerung weitläufig auf
und informiert sie im Interesse des Anstiegs der gesellschaftlichen
Solidarität über den Charakter der SM-Erkrankung und die
Behandlungsmöglichkeiten.
Sie fördert die Verbreitung von Kenntnissen über die
SM-Erkrankung und stellt neue Ergebnisse vor, insbesondere Organisation
wissenschaftlicher Konferenzen, Erfahrungsaustauschs und Kenntnis
vermittelnder Foren und die Mitarbeit an solchen.
Sie organisiert Schulungen für diejenigen, die SM-Kranke pflegen und zuhause
versorgen.
Organisation der Versorgung, leisten sozialer
Unterstützung neben anderen staatlichen Organen und Selbstverwaltungen, in
besonderer Hinsicht auf die Pflege
zuhause und Rehabilitationstätigkeit.
Beratung zur Organisation der Heil-,
Rehabilitations- und Sozialversorgung
der SM-Kranken auf so hohem Niveau wie möglich.
Sie fasst die örtlichen Hilfsorganisationen zusammen und gibt ihnen fachliche
Anleitung.
Organisation der sozialen Unterstützung der Kranken
zu dem Zweck, dass ihre Mitglieder den Möglichkeiten entsprechend zugunsten
der Gesellschaft, ihrer Umwelt und sich selber ein vollkommenes Leben führen
können.
Vertretung der Interessen der Mitglieder landesweit
bei den offiziellen Organen, den Behörden und anderen Organen, sowie in dem
Internationalen Verband der SM-Gesellschaften, in der Europäischen
SM-Plattform und anderen internationalen Organisationen, die SM-Kranke
unterstützen.
Wer nur einmal an den jährlich einmal organisierten
landesweiten SM-Treffen teilnimmt, hat
garantiert an einem Erlebnis für das ganze Leben teil, insbesondere
dann, wenn der Betreffende Parkinson hat – das können wir ganz sicher
behaupten.
Organisationen von
Parkinson-Erkrankten in Ungarn
Wie weit sind wir davon entfernt?
Was können wir Parkinson-Erkrankten im Gegensatz dazu vorweisen? Jetzt, auch
einschließlich des Parkinsonismus, gelang es während der seit der Wende
vergangenen reichlich anderthalb Jahrzehnte (wie schon erwähnt wurde)
insgesamt vier Organisationen für Parkinson-Erkrankte zu gründen, deren
gemeinsame Mitgliederzahl nicht einmal 200 Personen erreicht, und wobei die
bescheiden geschätzte Anzahl an Erkrankten 20.000 beträgt, plus ungefähr
5.000 ungarische Kranke außerhalb der Grenzen.
Man kann die Frage nicht umgehen, wer die
Verantwortung dafür hat (uns mit einbezogen), dass nicht einmal ein Versuch
unternommen wird, eine das ganze Land umfassende (eventuell auch die Ungarn
außerhalb der Grenzen) abdeckende unabhängige Krankenorganisation auszubauen?
"Unsere gemeinsamen Sachen zu ordnen,
Das ist unsere Arbeit, und das ist nicht wenig."
Betrachten wir die Abbildung! Nach den allgemein
anerkannten Ansichten müssen zu jedem einzelnem Parkinson-Erkranktem in einem
europäischen Kulturstaat die folgenden Versorgungen (im Fachjargon gesagt,
Versorgungsstruktur des Gesundheitswesens)
gehören.
Wer wird dieses System in
Ungarn ausbauen und betreiben? Der staatliche Gesundheitsdienst nicht, das
ist wohl allen klar.
Alle Betroffenen (Kranke, Familienmitglieder, Pfleger,
Arzt) sollten diese Frage überdenken und versuchen eine annehmbare Antwort zu
geben. Wir glauben, dass wir die auf die Frage zu gebende relevante Antwort
kennen, aber wir bringen auch selbst (auf eine für die Lage charakteristische
Weise) den Mut nicht auf, sie offen zu beantworten. ( "An der Oberfläche wird geplaudert,
aus der Tiefe kommt Schweigen." ) Wenn man jedoch in einer
Zivilgesellschaft etwas nicht offen formulieren kann, was das Niveau und die
Lebensumstände von kranken Menschen betrifft, dort sind Probleme. Wenn diese Phänomen nur auf ein kleines
Segment der Gesellschaft (auf uns 20.000 Parkinson-Kranke) gültig ist, dann
liegt der Fehler in diesem kleinen Segment. Wir könnten ihn suchen, fürchten
uns aber, ihn zu finden.
Aber hören wir auf, den Sündenbock zu suchen, und den
Worten folge die Tat! Sei unsere Antwort die Gründung der Professor Birkmayer
Stiftung, deren Grund wir nach dem oben Dargelegten kaum mehr schildern
müssen, aber deren Umstände die Öffentlichkeit verdienen, und wen sie
interessieren, der kann sie in der Randnotiz finden.
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Die
Umstände, die zur Gründung der Stiftung führten
Springen wir zurück an den Anfang unserer Geschichte.
Sie können sich bestimmt daran erinnern, dass uns von allen Seiten ein
großes Desinteresse entgegengebracht wurde. Die Passivität, die sich
vonseiten der nicht wenigen aufgeforderten Neurologen offenbarte, wäre noch
zu ertragen gewesen, aber die Briefe, die die Initiative kritisierten und
die in nicht nur einem Fall in einem rauen, sich nicht nur Ärzten, sondern auch gesitteten Menschen nicht
ziemenden Tonfall geschrieben waren, nahmen den beiden erwähnten
Initiatoren endgültig die Lust an der Sache. Ich war der erste Freiwillige, der den Handschuh
aufnahm. Die beiden wünschten mir
alle Gute und viel Erfolg, aber vielen Dank, ihnen reiche es, ich
solle nicht auf sie zählen, sagten sie übereinstimmend.
Ich habe einige Grundsätze als Lebensphilosophie,
die sich bis jetzt gut bewährt
haben. Der eine lautet: Kämpfe, wenn es sich um ein edles Ziel handelt,
widerstehe nicht, wenn es sich nicht lohnt. Ich dachte mir, dass die
Schaffung einer sich selbst organisierenden zivilen Vereinigung Parkinson-Erkrankter edel
genug sei, um dafür in den Ring zu steigen und mich nicht entmutigen zu
lassen. Das hätte man auch nicht geschafft, da ich vom Charakter her recht
stur bin, und wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt habe, dann gebe
ich nicht so schnell auf, es auch
durchzusetzen. Ich halte es nicht für notwendig, die drei Jahre zu
schildern und zum Gemeingut zu machen, die ich auf der Suche nach Gefährten mit ähnlicher Wertordnung und
Absicht verbrachte, aber schließlich hatte ich Erfolg. Auf der
Korrespondenzliste einer Internetseite traf ich Herrn Dr. Gyula Molnár, der
sich (oh Wunder!) ebenfalls diesen Schuh angezogen hatte, und zu demselben
Plan einen unternehmenslustigen Partner suchte. Bald darauf besprachen wir
unsere Vorstellungen, und sie stimmten vollkommen überein, deshalb machten
wir uns sofort an die Arbeit. Wir dachten allerdings nicht, dass sogar ein
Jahr vergehen muss, ehe wir einen dritten Gefährten finden konnten, da wir
beide (ich von meiner Rente, er von seinem Gehalt als beginnender Arzt)
keine, den diesbezüglichen Gesetzen genügende Organisation gründen konnten,
da die zu erwartenden Kosten so hoch waren. Nun suchten wir schon zu zweit
weiter, „unter Weißen einen Europäer“, der sich ähnlich wie wir
verpflichtet fühlt und auch über ein wenig Geld verfügt, das er für die
Kosten der Gründung einer Vereinigung Parkinson-Erkrankter aufwenden kann.
Wir waren uns darin einig (und auch in vielem anderen), dass wir für unser
Ziel bereit sind, sogar auch mit dem Teufel einen Bund einzugehen, und uns
wem auch immer zu widersetzen.
Da es in Ungarn fast keine Gegner mehr gab (wir
haben es bei allen versucht, die uns in den Sinn kamen, und vom Teufel
wussten wir nicht, wo zum Teufel er sich versteckt hielt), erinnerten wir
uns an eine anekdotische, aber gut bewährte Methode. Wie wir schon
geschrieben hatten, hatte ich, als
in Ungarn noch zahlreiche Industriegüter nicht in den Geschäften zu
bekommen waren, (zum Beispiel die DDR-Mixgeräte, die mit der
herausnehmbaren Tür) die Gewohnheit,
den Kunden, der nichts mehr bekommen hatte, damit aufzuziehen, dass ich
einen Ort wüsste, wo alles zu bekommen sei. Wo? Na auf der Wiener Strasse,
aber das ist recht weit. – Kein Problem, wo ist das Geschäft? Na, gleich
hinter Klingenbach.
Die Idee war gut. Mein Partner verbrachte nämlich im Kampf gegen die
Windmühlen einige Jahre als Praktikant in Wien im Birkmayer-Institut. Mit
seinem früheren Professor hält er auch jetzt noch die Verbindung, deshalb
bat ich ihn mich mitzunehmen und dem Professor vorzustellen, wenn er ihn
das nächste Mal besuche. Das andere solle er mir überlassen.
Das Treffen kam bald danach zustande, und ich
konnte Prof. Dr. Birkmayer kennen lernen. Es war nicht üblich, bei ihm
einfach „von der Straße her“ aufzukreuzen, aber er empfing uns beide sehr
freundlich. Da er mein Zittern sah, das sich durch den aus der Situation
ergebenden Stress in besonderem Maße verstärkte, untersuchte mich der
Professor ehe ich zu Wort kommen konnte,
und gab mir einige Ratschläge für Medikamentation und Lebensführung,
und fragte mich erst danach, was ich bei ihm wolle.
Als ich meine gut vorbereitete Rede gerade angefangen
hatte, unterbrach mich der Professor
und nahm den Faden des Gesprächs auf. Es stellte sich heraus, dass er
die Verhältnisse in Ungarn ausgezeichnet kannte, deshalb wäre es schade für
deren Darstellung Zeit zu vergeuden. Dann griff er plötzlich zum
Telefonhörer und wechselte mit jemandem ein paar Worte und dieser Jemand erschien kurz danach bei uns. Nach
gegenseitiger Vorstellung und dem wirklich kurzen Gespräch hatten wir uns
an der Gründung einer ungarischen Stiftung vereinbart.
Ich fiel nicht gleich vom Stuhl, da ich zum
Glück nicht zum ersten Mal in Europa war, aber trotzdem drehte sich das
Zimmer ein paar Mal um mich. Ich
hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass wir die Sache so
uck-muck-fuck erledigen und mit einer zuverlässigen Zusage nachhause
zurückkehren würden.
Von da an lief die Sache gut. Herr Doktor Molnár
übernahm im Zusammenhang mit Stiftung die Besprechungen und administrativen
Aufgaben. Ich setzte in dieser Zeit die früher begonnene Erstellung der
Webseite fort, aber jetzt schon als die Webseite einer noch nicht
gegründeten, aber ganz bestimmt zustande kommenden Stiftung. In der
Zwischenzeit startete ich die Dampfwalze mit Informationen und lernte bald
alle kennen, die ich kennen lernen konnte, vor allem die Vertreter der
ausländischen Vereinigungen Parkinson-Erkrankter. Auf einer von der
Kommission der EU organisierten Konferenz unter dem Titel „Patienten und
Urzellenforschung“ sprach ich mit der Vorsitzenden der Europäischen
Parkinson-Vereinigung Frau Mary Baker und ihrer Stellvertreterin Frau Susanna
Lindval, mit der wir auch seitdem in Verbindung stehen. Und ich konnte mit
Frau Rasheda Ali, der Tochter des berühmten, ebenfalls an Parkinson
leidendem Boxers, und den Mitarbeitern der dänischen PK-Vereinigung ein
paar Worte wechseln. Letztere bemühten sich um die Schaffung von Parkinson
Walk-in Häusern (Orte, an denen in den 24 Stunden des Tages immer jemand da
ist, der die Parkinson-Erkrankten versteht, und wo die an Parkinson
erkrankten Menschen Rat und Trost erhalten können) in verschiedenen Ländern
Europas (Es sieht so aus, als gäbe es in Dänemark auf diesem Gebiet nichts
mehr zu tun.). (Du lieber Gott! Wie weit sind wir davon entfernt?) Ich
sprach mit dem in meiner Nähe sitzenden Neurologieprofessor, der beobachtet
hatte, dass sich bei mir nach Einnahme meiner Medikamente keinerlei Wirkung
einstellte und der anstelle meiner damaligen Kombination an Medikamenten
eine andere empfahl, woraufhin sich mein Zustand nach der Umstellung
zuhause bedeutend verbesserte. Etwas später lernte ich schließlich Herrn
José Garcia-Pedrosa kennen, den Vorsitzenden der jetzt ihr 50 (ja, fünfzig) jähriges Bestehen
feiernden US Nationalen Parkinson Stiftung (NPF Inc.), der kaum darum
gebeten werden musste, mich mit Schriften und Videos mit allen aktuellen
Kenntnissen über Organisationsmethoden von Krankenvereinigungen und die
Krankheit zu versehen. Und wenn wir auch nichts anderes tun, als diese in
ungarischer Sprache zum Gemeingut zu machen (wozu wir die exklusiven
Übersetzungs- und Herausgaberechte erhalten haben), dann haben wir auch
schon damit „der Heimat gedient“. Diese Materialien stellen auch seitdem
den Stamm unserer Webseite und die sich ständig erneuernde
Informationsgrundlage der Stiftung dar.
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